Neue Normalität am BER

Leitartikel von Joachim Fahrun

Boeing 737-800 der Ryanair vor dem BER-Terminal (Foto: FBB)

Von „Business as usual“ zu sprechen, verbietet sich am Berliner Hauptstadtflughafen BER immer noch. Zu sehr steckt das Bau-Debakel noch im kollektiven Gedächtnis der Berlinerinnen und Berliner. Ein Verlust von mehr als einer halben Milliarde Euro 2021, aufgezehrtes Eigenkapital und die Abhängigkeit von Finanzhilfen der öffentlichen Eigentümer sind nicht normal für eine Flughafengesellschaft.

Gleichwohl lässt sich nach der Bilanz des ersten kompletten Betriebsjahres des neuen Airports von einer gewissen Beruhigung der Lage sprechen. Mit dem Abklingen der Pandemie fliegen die Menschen wieder in die Ferne, und Touristen kommen in die Stadt. Auch wenn die früher so zahlreichen Gäste von Messen und Kongressen noch in der Bilanz fehlen, könnte in diesem Jahr die Hälfte der Passagierzahlen aus der Vor-Corona-Zeit erreicht werden.

Dass der BER sich langfristig rechnen kann, machen die gestiegenen Einnahmen pro Fluggast deutlich. 16 Euro pro Passagier zahlen die Fluglinien am BER im Durchschnitt als Entgelt, viel mehr als in Tegel. Hinzu kommen sehr viel höhere Erlöse aus Mieten für Shops und Gastronomie und Parkhäuser am BER.

Operativ sollte Flughafenchefin Aletta von Massenbach für das laufende Jahr 2022 schwarze Zahlen erreichen. Dass das schon im Pandemie-Jahr 2021 bei nur knapp zehn Millionen Passagieren fast gelungen wäre, zeigt die Potenziale eines Flughafens an einer sehr gefragten Destination wie Berlin.

Was die Flughafengesellschaft Berlin-Brandenburg unter Druck setzt und daran hindert, Corona-Verluste aus eigenen Reserven tragen zu können, sind die Altlasten aus der verkorksten Bauphase. Diese müssen wohl oder übel die Steuerzahler zum großen Teil schultern, kein Privater wird das tun.

Das ist bitter, gerade angesichts der neuen Finanznöte des Bundes und der Länder Berlin und Brandenburg. Aber die Politik hat sich auch selbst in diese Situation laviert, weil sie die enormen Baukosten lange Zeit fast komplett dem Flughafen übergeholfen hat.

Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Schulden von fünf Milliarden Euro sind für ein Unternehmen mit aktuell weniger als 300 Millionen Jahresumsatz unter keinen Umständen zu stemmen. Die Aufgabe der Flughafenchefin und ihrer Vorstandskollegen ist es nun, den Betrieb am BER wirklich zuverlässig zu machen. Überlange Wartezeiten an der Sicherheitskontrolle und verpasste Flugzeuge darf es auch zu Spitzenzeiten nicht mehr geben. Wenn das gelingt, wird das Klagen über den BER aufhören.

Unsicherheiten bleiben. Der Ukraine-Krieg, steigende Ticketpreise in Folge der teuren Energie und weniger Geschäftsreisen nach der Pandemie können die Erholung des Luftverkehrs weltweit und in Berlin bremsen.

Aber es gibt Licht am Ende des Tunnels. Der Flughafen ist als Standort attraktiv, das zeigen auch die teuer verkauften Grundstücke in der Umgebung. Die Menschen wollen und werden fliegen, auch und gerade von und nach Berlin. Der BER als Infrastruktur ist für die Zukunft viel besser gerüstet als Tegel es je war. Und irgendwann werden auch dann mehr Langstreckenziele direkt mit Berlin verbunden sein.

ots Presseportal/Berliner Morgenpost

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